Abstract:
Was verbindet einen jungen Mann, der seinen Selbstmord aus gekränkter Ehre plant, eine junge Frau, die sich dem erniedrigenden Tausch entziehen will, indem sie für die Rettung ihrer Familie zum Objekt des Genusses gemacht wird, und ein Ehepaar, dessen Harmonie von traumhaften Erfahrungen bedroht wird? Die vorliegende Arbeit erkennt in dem Nachtmotiv den Interpretationsschlüssel für das Werk Arthur Schnitzlers. Ausgehend von den bekanntesten Novellen des Wiener Autors Leutnant Gustl, Fräulein Else und Traumnovelle wird im Folgenden gezeigt, wie die Nacht nicht nur als Hintergrund für die Geschichte der gequälten Figuren fungiert, sondern den zeitlichen Raum der erhellenden Introspektion darstellt. Von dem sozialen Konstrukt des Tages physisch und psychisch befreit, tauchen Schnitzlers „Dämmerseelen“ in all ihrer Desorientierung auf. Doch gerade in der Dunkelheit besteht die Möglichkeit, in Kontakt mit den verdrängten Teilen des Selbst zu treten. Gerade indem man die Maske verliert, kann man sich wiederfinden. Inwiefern das romantische Nachtmotiv und die Traumtheorie von Sigmund Freud Schnitzlers Auffassung der Nacht beeinflusst haben, versucht diese Untersuchung ebenso nachzugehen.