Abstract:
Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf Botho Strauß‘ Werk und auf seine Theaterauffassung, die sich ab den 1960er Jahren parallel zur deutschen Geschichte entwickelt hat und von dem zeitgeschichtlichen Kontext beeinflusst wird.
Im Mittelpunkt meiner Analyse stehen zunächst die biographischen Aspekte, die mit den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen der Zeit verbunden sind, und die Art und Weise, wie sie in seinen Werken ausgedrückt werden.
Im ersten Kapitel wird ein Überblick über das Werk von Strauß und die Entwicklung seines Theaters im Laufe der Jahrzehnte gegeben. Obwohl er im Laufe der Jahre bestimmte Probleme und Fragestellungen seiner Zeit thematisiert, gibt es einige Themenkomplexe, die in seinem gesamten Werk konstant bleiben und als ein roter Faden betrachtet werden können.
Die politische Situation der deutschen Nachkriegszeit und vor allem die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit werden in der ersten Phase von Botho Strauß thematisiert, allerdings versucht er, Abstand von der politischen Situation zu nehmen und die ästhetische Dimension zu bevorzugen. Ferner sind der Realismus-Begriff und die Suche nach der Wahrheit zwei wichtige Schwerpunkte seines Theaters, auch wenn sie nicht unverändert bleiben werden.
Im Anschluss fokussiere ich mich auf die Figurenkonstellation und auf ihre Darstellung. Die Figuren sind am meisten Außenseiter oder Künstler, nämlich Figuren, die kein bürgerliches Leben führen und am Rande der Gesellschaft zu finden sind. Diese Charakterisierung entspricht Strauß‘ Kunstvorstellung, die als elitär definiert werden kann. Strauß zufolge können hohe Kunst und vor allem die Dichtung einem großen Publikum nicht vermittelt werden, weil sie für wenige Ausgewählte zugänglich sind.
Darüber hinaus wird in der Analyse besondere Aufmerksamkeit auf die Hauptthemen seines Werks, nämlich Mythos, Religion und insbesondere seine Kritik an der modernen Gesellschaft. Die gesellschaftlichen Strukturen werden ab den 1960er Jahren in Frage gestellt, im digitalen Zeitalter verwandelt sich seine scharfe Kritik aber in eine völlige Ablehnung. Dieser letzte Aspekt steht im Mittelpunkt meiner Untersuchung.
Das zweite Kapitel befasst sich mit diesem Thema und den gewählten Ausdruckformen des Autors. Die Krise der Kommunikation, die bei Botho Strauß in enger Verbindung mit der Krise der Werte steht, führt zu einer Form von Kommunikationslosigkeit. Obwohl er in einer ersten Phase die Unterkühlung der zwischenmenschlichen Beziehungen feststellt und in seinen Schriften thematisiert, assoziiert er später, vor allem in den 1990er Jahren, die Kommunikationskrise mit dem Aufkommen der Technologie und offensichtlich mit den Massenmedien. Die Zentralität der Gespräche zwischen den Figuren macht deutlich, dass Strauß nicht nur die Kommunikationskrise, sondern auch eine Sprachkrise betonen will. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen Beziehungsstrukturen und Dialogstrukturen kann in diesem Sinne interpretiert werden.
Zum Schluss wird diese Thematik in drei Theaterstücken von Strauß, die zeitlich entfernt sind, ausführlich analysiert. Trilogie des Wiedersehens (1976), Der Park (1883) und das Gleichgewicht (1993) sind die drei gewählten Werke, in denen die Kommunikationsfähigkeit des Menschen in der Modernität und vor allem in Bezug auf die Massenmedien deutlich gezeigt wird.