Abstract:
In seinen naturphilosophischen Schriften behandelt Alfred Döblin das Thema der Antinomie Körper-Geist bzw. Natur-Ich als Schwerpunkt der existenziellen Frage und schlägt als Lösung die mystische Erkenntnis der Natur vor. Diese Grundannahme bildet auch das Fundament seiner Geschichtsauffassung, laut welcher die Autonomie des Ich vom Determinismus der Geschichte dauernd bedroht wird. Dennoch lehnt Döblin eine defätistische Hinnahme der deterministisch aufgefassten Natur seitens des Menschen ab und schreibt ihm dagegen eine wichtige Rolle zu. Der Mensch, der wegen seiner „unvollständigen Individuation“ keine Wirkung auf die unendliche Zeitlichkeit ausüben kann, hat laut Döblin die Aufgabe, in der Gegenwart zu handeln. Das richtige Handeln bestehe aber in einem dauernden Spannungsverhältnis zwischen Natur und Ich, das in einer Isolierung der zwei Pole nicht enden solle. Auch das von Döblin dargestellte historische Ereignis der Revolution in "November 1918. Eine deutsche Revolution" ist von dieser Spannung geprägt: Einerseits hemmt die Geschichte eine echte Erneuerung der deutschen Gesellschaft, anderseits tritt die Revolution als konkrete Möglichkeit eines Neubeginns hervor, der in Döblins Augen die Züge einer innerlichen mystischen Wiedergeburt des Individuums annehmen soll. Sein Gedanke erweist sich durch die Darstellung der misslungenen Revolution als Utopie. Trotzdem bleibt für den Schriftsteller solche als Utopie konzipierte Auffassung der Revolution doch die einzige Möglichkeit sozialer Gerechtigkeit.