Abstract:
In einer Welt, in der politische Notlagen und bioethische Fragen an der Tagesordnung sind, taucht der staatsrechtliche Begriff des „Ausnahmezustands“ immer wieder auf. In seinen auf Carl Schmitt, Walter Benjamin und Michel Foucault zurückgeführten Studien versteht Giorgio Agamben den Ausnahmezustand als das Dispositiv, durch das sich das Recht in der westlichen Kultur auf das Leben bezieht und es in sich durch seine eigene Suspendierung einschließt. Die vorliegende Arbeit untersucht die Kerne von Agambens Begriff des Ausnahmezustands in zwei Romanen von Christoph Hein. Als Leitlinie wird insofern nicht der streng juristische Begriff, sondern die Verflechtung von „Ausnahme“ und „Regel“ sowie die von Agamben hervorgehobene paradoxe Beziehung des Rechts zur schwer definierbaren Sphäre des Lebendigen genommen. Die Schwerpunkte dieser Untersuchung sind: die Thematisierung von zwischen Recht und Unrecht, Privatem und Öffentlichem oszillierenden Existenzen; das zentrale Verhältnis zwischen Individuum und Rechtstaat im ersten Roman In seiner frühen Kindheit ein Garten (2005); Fremdheitserfahrungen sowie Ein-und Ausschließungsmechanismen, die im Mittelpunkt des zweiten Werks Glückskind mit Vater (2016) stehen. Im Anhang wird der Akzent auf interdisziplinäre Aspekte bzw. auf die Darstellungsformen von Gewalt im Dokumentarfilm Black Box BRD (2004) von Andres Veil gelegt, der sich jene umstrittene, politische Thematik annimmt, die auch in den Fokus von Heins erstem Roman rückt.